Als Corona anfing, bekam ich Sodbrennen

Als Corona anfing, bekam ich Sodbrennen.
Sodbrennen und auch andere Sachen. Und meistens war eindeutig klar, dass der Ursprung psychisch war. Zum Beispiel wenn das Sodbrennen spürbar schlimmer wurde, wenn ich Nachrichten las. Und klar, während Corona ging es nur wenigen Menschen besser als vorher. Aber vermutlich war ich ohne es zu merken vorher schon an so einer Grenze, die ich nicht bemerkt hatte, dass es dann im Lockdown nur noch bergab ging. Und ich dachte, ich warte ab. Danach wird das bestimmt wieder besser. Aber das wurde es nicht. Eine gefühlte Abwärtsspirale in jedem Bereich meines Lebens.

Das Ding ist, mein Leben ist so bequem aufgebaut, ich kann so vielen Situationen, die mich herausfordern würden, aus dem Weg gehen. Oder ich lebe sie durch und stehe halt danach paar Tage neben mir. Alleine wohnen und Homeoffice macht sowas ziemlich gut möglich. Aber ich beobachte mich und ich merke das. Und ich merke auch, dass es von allein nicht besser wird und ich bei einigen Dingen professionellere Werkzeuge brauche, damit umzugehen.

Ich glaube, dass ich lange nicht wirklich das Gefühl hatte, dass es besser werden KANN. Deshalb habe ich auch einfach mein Leben drumherum aufgebaut. Und das geht bei mir viel zu gut. Aber letztens hatte ich einen Moment, da hatte ich plötzlich diese Hoffnung - und die ist bis heute geblieben. Diese Hoffnung holt mich nach und nach aus meinem stillen Selbstmitleid. Denn gewiss gibt es eine Zukunft für dich, und deine Hoffnung soll nicht zunichtewerden. Sprüche 23:18

In der Zeit hatte ich einen von vielen Momenten, in denen mir schmerzlich ein weiteres Problem von mir bewusst wurde. Wo ich an meinem Verhalten gegenüber anderen gecheckt habe, was in meinem Kopf eigentlich vorgeht. Und diese Momente habe ich richtig oft, weil selbstreflektiert sein leider mein Hobby ist - aber dieses Mal hatte ich wirklich das Gefühl: "Das war jetzt alles." Alles, was ich brauche, um an mir zu arbeiten, liegt jetzt offen vor mir. Ich habe tatsächlich gerade keinen nebligen Gedanken mehr, was mich angeht. Da ist kein endloser Berg an Scherben mehr vor mir, sondern eine übersichtlich kleine stinkige Biotonne, die ich nur noch rausbringen muss.

Und dann war ich bei meinem Hausarzt, schon wieder. Und er gab mir, ohne mich zu fragen, eine Überweisung für eine Psychotherapie mit den Worten "Ich gebe sie Ihnen jetzt einfach mit und sie schauen, was sie damit machen möchten." und ich habe mich so gefreut. Es war weder ein Gefühl von Versagen, noch von Selbstmitleid. Noch am selben Tag habe ich eine Klinik angeschrieben und einen Termin für ein Vorgespräch bekommen.

Ich weiß, dass Gott genau diesen Moment abgewartet hat. In dem mir erschreckend bewusst ist, wie es mir geht, dass alles klar vor mir liegt - aber in dem ich auch Hoffnung habe, dass es besser wird und ich Schritte gehen möchte, die darüber hinausgehen, zu checken, was mit mir los ist. Ich möchte wissen, wie ich jetzt damit lebe. Der Gedanke an eine Therapie hat mich so lange erschreckt, weil ich genau wusste, dass da noch Sachen in mir sind, die ich nicht aufdecken möchte. Aber Gott hat sie trotzdem aufgedeckt. Nach und nach, so, wie ich es gerade so ertragen konnte. Aber er hat mir auch gezeigt, dass es leider nicht reicht, Dinge zu reflektieren und zu verstehen, woher sie kommen. Jemand muss mir beibringen, was ich jetzt damit mache. Diese Biotonne vor mir muss nämlich weggebracht werden, aber ich weiß nicht, wo der Komposthaufen ist (dieses Bild wird später im Text noch weiter ausgereizt, versprochen). Ich weiß ehrlich nicht weiter.

Und klar, könnte ich mich daran gewöhnen. Ich könnte so weiterleben, wie ich es gerade tu - es funktioniert und nur wenige Menschen bekommen von meinen Tiefpunkten mehr als meine schlechte Laune mit. So vielen geht es schlechter. "Gott hat uns ja schließlich nicht versprochen, dass das Leben leicht wird." Aber so muss es nicht sein. Gott hat nämlich sehr wohl Freiheit versprochen. Er kann mich von all diesen kaputten Dingen in meinem Leben befreien, damit ich mich nicht mehr nur darum drehen muss, wie ich mein Leben möglichst so aufbauen kann, damit niemand merkt wie es mir geht - und dann funktioniert es noch nicht einmal besonders gut. Er muss mich auch nicht von allen Dingen befreien. Und das ist dann auch okay. Aber die Wahl muss bei ihm liegen. Und das tut sie nicht, solange ich krampfhaft an meinen Wunden festhalte. Ich bin es leid, mein Leben um meine Probleme herum aufzubauen, um mich selbst herumzuschleichen. Ich bin auch leid, dass andere das tun. Für einige scheint eine Therapie vielleicht Ich-Bezogen, aber ich erhoffe mir tatsächlich gerade, dass es mich ein stückweit von meiner Ich-Bezogenheit befreit, in der ich gerade lebe.

Und deshalb verabschiede ich mich jetzt ab dem 8. August erstmal für mindestens sechs Wochen in eine stationäre "Müll-rausbring-Zeit". Mir ist so egal, was für eine Diagnose man mir geben könnte, denn kein Name würde etwas daran ändern, wie es mir gerade geht. Es geht mir auch nicht darum, zu erfahren, wem ich etwas vorwerfen kann. Das weiß ich schon und über diesen Punkt bin ich hinaus. Ich möchte keine Diagnose, ich möchte wissen, was ich tun kann, damit mein Leben nicht so bleibt, wie es gerade für mich ist, denn als Erwachsene bin ich selbst dafür verantwortlich.

Und natürlich kann man auch andere Wege gehen und die wären sicher auch nicht schlecht. Aber dieser Weg wurde mir bereitet und den gehe ich jetzt.

Und ich habe Hoffnung, dass Gott da Gutes für mich vorbereitet hat. Auf diesem Komposthaufen wächst bald eine Blume, ich sag's euch.


Denn gewiss gibt es eine Zukunft für dich, und deine Hoffnung soll nicht zunichtewerden.
Sprüche 23:18