Fahrschule 2011

Ich hatte einen guten Fahrlehrer. Ich mochte ihn sehr.

Bei meiner ersten Fahrstunde sagte er mir, dass es sich wahrscheinlich so anfühlt, als würde ich das niemals lernen. Aber das habe bis jetzt noch jeder gedacht und es dann doch gelernt. Ich war 20 und er siezte mich. 


Er holte mich oft bei meinem Praktikum in Detmold ab und meine Fahrstunde war dann der Weg nach Hause. 

Manchmal hat er geschimpft, aber auf einer recht lustigen Ebene, was ich nie persönlich nahm. Er hatte ja auch recht. Bei einer Fahrstunde war ich dann aber dann doch sehr sensibel und irgendwann sagte ich dass ich gleich weinen würde, wenn er so weitermachen würde. Er wurde dann ganz ruhig und entschuldigte sich. 

Ein paar Minuten später habe ich fast einen Unfall gemacht. Ich sollte links abbiegen und vergaß, auf den Verkehr von vorne zu achten. Mein Fahrlehrer musste eingreifen. Ein paar Sekunden standen wir dann erschrocken da. Dann sagte er „Tief durchatmen, Hände ans Lenkrad und weiterfahren.“ Sonst sagte er nichts mehr dazu. Ich habe nie wieder vergessen, auf den Verkehr von vorne zu achten. 


Bei meiner Nachtfahrt hörten wir ACDC und er erzählte mir von seiner Jugend. Er brachte mir bei, wann es Wildwechsel gibt, dass man blinkt bevor man abbremst und dass ich auf der Autobahn erst wieder rechts einscheren soll, wenn ich das Auto im Rückspiegel sehen kann. Und dass es normal ist, dass man Sachen lernen muss und nicht einfach so kann.


Nach meiner letzten Pflichtstunde sagte er, dass ich keine weitere bräuchte und jetzt direkt die Prüfung machen könnte. Hätte er gesagt dass ich noch 10 Fahrstunden zum üben bräuchte - ich hätte es gemacht. Aber ich glaube es war ihm tatsächlich wichtiger, mir Selbstvertrauen zu geben, anstatt Geld zu machen. Das muss man sich mal vorstellen. 

Als ich während meiner Prüfung auf eine Frage vom Prüfer eine dumme Antwort gab, schlug er sich an die Stirn und lachte mich aus. Er versuchte dann trotzdem, den Prüfer in ein Gespräch über Badezimmerfliesen und Hühner zu verwickeln, um mich zu entspannen. Als ich den Führerschein dann aus unerklärlichen Gründen doch bei der ersten Prüfung bekam, wartete er bis der Prüfer weg war, um mich dann zu umarmen und mir zu sagen „Den haben sie nicht verdient.“ Aber es klang stolz. 


Meine Freundin machte zur gleichen Zeit den Führerschein. Sie bat um einen anderen Fahrlehrer, weil sie es nicht mit ihm ertrug. Es ist so interessant, wie die selbe Person bei unterschiedlichen Charakteren so unterschiedliche Emotionen hervorrufen kann. 

Als wir dann unseren Führerschein hatten, hatten wir aber immer noch kein Auto und gingen in Bielefeld zur Schule und mussten öfter von Stukenbrock nach Augustdorf gehen. (Ja - GEHEN - Damals waren Eltern noch nicht so, dass sie einen einfach so abgeholt haben. Wir wollten in Bielefeld zur Schule gehen, also mussten wir gehen.) Manchmal gab unser Fahrlehrer dann auf der Strecke gerade eine Fahrstunde und gabelte uns auf. Sein Fahrschüler musste uns dann nach Hause bringen.


Mein Fahrlehrer ist wenige Jahre nach meinem Führerschein gestorben und manchmal finde ich schade, dass ich ihm nie Danke gesagt habe. Ich wusste damals nicht zu schätzen, wie viel ein guter Fahrlehrer wert ist. 

Bis heute fühle ich mich sicher beim Autofahren und ich habe immer ein unterschwelliges Gefühl von „Mein Fahrlehrer hat mir all das zugetraut. Und wenn er mir das zugetraut hat, ist es egal was andere davon halten. Ich kann das.“ 

Ich hatte einen wirklich guten Fahrlehrer.