Bauwagenwochenende


Anfang Januar surfte ich durch Airbnb und suchte nach einsamen kleinen Hütten in der Nähe, wo ich einfach mal ein Wochenende ganz schnirzschnurzpups allein sein konnte.
Und ich habe ihn gefunden, den Ort, den ich jetzt öfter aufsuchen werde.

Ein Bauwagen am Waldrand, nicht sehr weit von mir, wunderbar gemütlich, nostalgisch und verhältnismäßig praktisch. Aber vor allem: bescheiden, einfach und schön. 
Kein Strom, kein fließendes Wasser, dafür Außentoilette und Ofen. Konnte ja keiner ahnen dass das der schönste Ofen ist, den ich je gesehen habe.

Also fuhr ich hin.
Erst als ich da saß und der nette Inhaber mir (nachdem er mein Auto aus dem Schlamm gezogen hatte - fragt nicht) erklärte, wie man ein Feuer macht, fiel mir auf, dass ich das noch nie gemacht hatte. Kurz kam der Gedanke "Was mach ich hier." Aber den habe ich ganz schnell verworfen. 

Ich hätte mich die ganze Zeit über reinsteigern können, 
in etwas, wovor ich Angst haben könnte - wie die kratzenden Äste am Dach in der Nacht
in etwas, was ich unangenehm finde - auch im dunkeln paar Meter im freien und kalten zur Toilette gehen
in etwas, dass mich nervt - drehen, anstatt gehen, weil zum gehen zu wenig Platz im Wagen ist
in etwas, wovor ich mich ekele - wie die Spinnen die nun mal unweigerlich am Waldrand zu finden sind
immer wieder in etwas, wovor ich Angst haben könnte.



Und ich wollte mir beweißen, dass ich das kann. Dass ich Angst abschütteln kann.
Jedenfalls diese unbegründete, anerzogene, moderne Angst. 

Wie die Angst vorm Dunkeln, Angst vorm allein sein, Angst vor Abgeschiedenheit, Angst vor dem Wald, Angst vor dem Wald um Dunkeln, Angst davor, als Frau etwas allein zu machen, ...
Diese Ängste möchte ich abschütteln können.

Und deshalb fuhr ich hin.
Ich tu vieles, um diese Ängste abzuschütteln, nicht zuzulassen, das hier war einfach nur das auffälligste.



Ich habe in den letzten Jahren eine Liebe für den Wald entwickelt, die ich immer wieder versuche, in Worte zu fassen, aber das gelingt mir immer nur im Patchworkstyle, kleine, geschlossene Quadrate, aber sie ergeben noch kein Muster und gesäumt ist auch noch nichts.

Ich bin glücklicher, wenn meine Schuhe dreckig sind, meine Nägel gebrochen, meine Nase kalt und meine Füße nach einem Regen barfuß im weichen Moos versinken und jeder Atemzug eine Inhalation ist.

Ich zitiere hier Henry David Thoreau. Mir ist klar dass ein Wochenende im Wald absolut lächerlich ist und nicht im mindesten damit zu vergleichen, was Thoreau gemacht hat. Aber man kann trotzdem einfach nicht anders, als ihn in diesem Zusammenhang zu zitieren. Ich habe mich immer wieder an sein Buch "Walden" gemacht, aber nie durchgelesen, aber so viel gelernt und einen Großteil meiner Waldliebe habe ich ihm zu verdanken, deshalb:

“Ich ging in die Wälder, weil ich bewusst leben wollte.
Ich wollte das Dasein auskosten. Ich wollte das Mark des Lebens einsaugen!
Und alles fortwerfen, das kein Leben barg, um nicht an meinem Todestag Innezuwerden, daß ich nie gelebt hatte.”

― Henry David Thoreau


Es ist ganz speziell, auf kleinem Raum zu leben, nichts machen zu müssen und auch nichts machen zu können, außer Feuer machen, lesen und aus dem Fenster schauen.

Kleines Video gibt's auch





Auch meine Playlist, die ich die ganze Zeit hörte:
(die übrigens mein Liebling ist und die ich seit 3 Jahren gewissenhaft pflege)




Ich kann nicht viel über mein Wochenende berichten.
Ich habe "der geheime Garten" gelesen (und zu meinen Lieblingsbüchern auserkoren), ein anderes Buch begonnen, einige Gebete aufgeschrieben, Psalm 138 gelesen, immer und immer wieder, war ein wenig spazieren und habe sehr viel geschlafen
Und immer wieder Feuer gemacht um warm zu bleiben. 
Auch Nachts, als die Kälte mich weckte war ich glücklich, aber auf eine leise Art, eher zufrieden.


Es war gut. Und ich konnte es. Die unbegründeten Ängste abschütteln.

Nicht zuletzt weil meine Familie die beste Reaktion hatte, als ich ihnen davon erzählte. Sie zeigten mir ihre Daumen, waren wenig überrascht und freuten sich für mich. Keiner machte sich Sorgen um mich (außer vielleicht meine Mama ein wenig) , keiner fand das komisch oder irgendwie eigenartig und sie schenkten dem auch nicht mehr Aufmerksamkeit als nötig, sie warnten mich nicht vor Dunkelheit, sagten nicht dass sie "an meiner Stelle" Angst hätten oder sowas. Das hat mich unglaublich bestätigt, weil es mir zeigte, ich tu da nichts was mir widerspricht. Sie trauen mir das zu, ich kann das.

Ich hätte definitiv mehr mit Angst zu kämpfen gehabt, hätten sie mich alle auf gepflogene Familienart vor irgendwas gewarnt. 

Aber so, fiel es mir leicht.





So, und mit meinem Psalm


Für all die begründeten Ängste, die so viel tiefer sitzen als Dunkelheit, Fremde, Einsamkeit. 
Für all meine Unzulänglichkeiten, all meine "doch nicht".
Für mein ganzes, unvollendetes Werk.
Aber dass es begonnen ist, und dass nicht ich es vollbringe, sondern er für mich. 
Das musste ich wieder sehen. 

Und deshalb dieses Wochenende.