Ich bin ein wunderschöner Vogel, verdammt!


Vor einiger Zeit überlegte ich, meinen Job zu schmeißen und mit Bibelschule zu starten. Mein Vater schaute mich an und sagte „Willst du wirklich Bibelschule machen, oder willst du einfach nicht arbeiten?“ und ich musste ehrlicherweise antworten „Ich will nicht arbeiten.“ 
Dass das die Wahrheit ist, wurde mir erst in diesem Moment bewusst.
Mein persönlicher Tiefpunkt und größter Beweis meiner Faulheit.



Ich liebe meine Arbeitsstelle, ich arbeite gerne dort – aber ich bin einfach noch lieber zuhause, schaue mir meine Wohnung an, koche, schlafe aus, …

Faule Frauen sind hofreif geworden. 
In meinen Kreisen sieht das ungefähr so aus:
Wir denken, unsere Bestimmung ist es halt eigentlich, Hausfrau und Mutter zu sein, wir sind nicht geschaffen für diese Vollzeitstellen. Dienen in der Gemeinde vielleicht noch, aber nicht arbeiten, um Geld zu verdienen. Das ist uns „zu viel“, „nicht meins“ , "früher haben die das auch nicht gemacht." – und an guten Tagen ist es sogar „nicht biblisch“.  
Ich habe all das auch schon gedacht. Ich habe an ganz besonders faulen Tagen sogar gedanklich die Feministinnen verflucht, die es mir nicht nur ermöglicht, sondern zum Zwang gemacht haben, zu arbeiten. Stell dir mal vor, ich könnte nur wie in "Stolz und Vorurteil" zuhause chillen, lesen, spazieren und tanzen gehen. Und dann würde ich mich unsterblich in einen reichen Mann verlieben und... 


Ich bin doch eine Blume / eine Perle / eine Prinzessin – und sensibel bin ich dazu - arbeiten, um Geld zu verdienen… das ist etwas für Frauen, die noch keinen Sinn im Leben gefunden haben. Frauen, die arbeiten, es auch noch gerne machen und ihren Lebensunterhalt selbst verdienen und verantworten, müssen deprimierte, einsame Frauen sein.
Frauen die nicht gerne kochen, aufräumen und dekorieren – ernsthaft, was stimmt nicht mit euch? Warum enthaltet ihr euch eurer wahren Bestimmung und sucht Erfüllung in solch niederen Arbeiten wie „Geld verdienen“?
Eine Bemerkung am Rande: Warum ist es Männern gestattet, einen Job zu haben, der zwar nicht ihre Lebensbestimmung ist, aber zum Geld verdienen gut ist. Warum denkt man, bei Männern wäre es okay, wenn sie ihren Job gern machen und ihre Energie da investieren – und bei Frauen ist es traurig? Ich weiß nicht wen dieses Denkmuster abwertet und lasse das mal so stehen.
Geld verdienen ist was für Männer, wenigstens eine Sache muss man ihnen doch lassen. 

Wir Frauen, wir können andere Dinge.
Schön aussehen zum Beispiel. 
Oder Zeit im gelobten Land "zuhause" verbringen.

Wir Frauen haben DIY Stress. Stress vom dekorieren, basteln, Handarbeiten, aufwendigem kochen, shoppen, ... und müssen uns dann was gönnen, weil wir vom "uns gönnen" so müde sind.

Mein Sarkasmus rührt daher, dass ich auf der einen Seite diese Gedanken als Single und Arbeitende erfahre, aber vor allem daher, weil ich oft selbst so gedacht habe / so denke.
Natürlich würde ich am liebsten Hausfrau und Mutter sein, natürlich möchte ich lieber Brot backen, anstatt mich um meine Autoversicherung zu kümmern, natürlich würde ich morgens um 6:00 lieber von einem Kinderrufen, als von einem Wecker wach werden, natürlich finde ich es sinnvoller,
3 Stunden mit einem Kind zu spielen, als 3 Stunden zu arbeiten - sind wir doch mal ehrlich, ich bin eine Frau, ich habe eine Gebärmutter, diese Sehnsüchte sind vollkommen normal.

Aber oft ist es nicht mein Herzenswunsch der aus mir spricht, sondern meine Faulheit.
Ich will zuhause chillen. Und ganz ehrlich gesagt ist der Wunsch, Mutter zu sein, oft nur ein Vorwand. Eigentlich will ich auf der faulen Haut liegen, (und jetzt werden alle Mütter aufschreien und sagen, dass Mütter nie Zeit zum faulenzen haben. Meine Gedanken sind halt oft unlogisch. Aber ich behaupte mal, auch Mütter haben die Möglichkeit, zu faulenzen) oder mindestens nicht für meinen Lebensunterhalt verantwortlich sein.

Arbeiten ist für die meisten Frauen die ich kenne, eine Zwischenlösung. Viele sehen sich sogar als "zu schwach", um eine Vollzeitstelle zu packen. Aber selbst mit drei Kindern kann „Hausfrau und Mutter“ nur eine Zwischenlösung sein.
Eine sehr Gute. Die Welt braucht Mütter, die Zeit in ihre Kinder investieren, viel Zeit. Versteht mich nicht falsch, ich finde, dass wenig Menschen die Welt so sehr beeinflussen, wie Mütter. Ich gönne jeder Mutter, nicht zu arbeiten, von mir aus bis das Kind zur Schule geht, da ist nichts verwerfliches dran. Aber Kinder werden groß und irgendwann beanspruchen sie einen nicht mehr 24/7 und Rente wollen wir ja irgendwann auch.
Die Mutter eines Mädchens aus meiner Jugend hat mit drei Kindern soziale Arbeit studiert. Die kleinste kam um 15 Uhr von der Schule. Das ist nicht „sie hat keine Erfüllung in ihrer Rolle als Mutter gefunden“ – das ist Fleiß! Fleiß, den ich nicht, oder kaum besitze.

Ich habe nach Ausreden gesucht, habe gesagt dass ich Dinge, die ich freiwillig mache (Jugend, Familie, …) , ja gut und gewissenhaft mache. Mein Vater sagte eiskalt 

„Das ist kein Fleiß. Fleiß ist, Dinge gut zu machen, die man nicht gerne macht, die aber gemacht werden müssen.“

Wir Frauen drehen die Bibel gerne so, dass Geld verdienen Männersache ist. 
In Sprüche überlesen wir gerne, dass die Frau den Haushalt erledigt hat, bevor die Kinder wach werden und dann mit eigenen Händen arbeitet, auf dem Markt handelt, um Geld zu verdienen und sie ihr Haus sogar winterfest macht. 

Wir reden uns ein, dass „die Welt“ uns christliche Frauen (die die meisten Arbeitsstellen als Männersache sehen)  ja so verurteilt, tatsächlich habe ich das noch nie persönlich erlebt. Christliche Frauen, die die Welt verurteilen hingegen, erlebe ich häufig, ich bin eine von denen, die auf der verurteilenden Seite stehen. Ich kenne (Gemeinde-) Frauen, die sich von Gemeindefrauen abgewertet fühlen, weil sie arbeiten.

Ich bin faul. Meine romantisierte Vorstellung von meinem Leben spielt sich zu 80% in meiner kuscheligen Wohnung ab, in der ich pausenlos bei Kerzenschein häkel, schreibe, lese und mit einer Freundin Tee trinke. In meiner Vorstellung als Mutter chille ich mit meinen Kindern zuhause oder im Wald. Den ganzen Tag. 
Und genau das vermittelt mir Instagram, Pinterest und die meisten Blogs. Warum? Das Internet funktioniert nur über das teilen. Und was teilen wir? Was wir schön finden. Was finden wir schön? Alles, was sich zwischen den Arbeitstagen abspielt. Das ist aber leider nicht das ganze Leben. Wir sind aber dumm genug, das von unserem ganzen Leben zu erwarten. Ich bin nicht #fürmehrRealität in den sozialen Netzwerken. Ich bin für mehr Realität in unserem Verstand.

Und ich habe kein Bock mehr, von Wochenende zu Wochenende, von Urlaub zu Urlaub zu leben, noch weniger habe ich Bock darauf, auf ein Leben zu warten, dass ich vielleicht niemals führen werde. Und ich will auch nicht mehr denken, dass mein Leben erst so richtig genießbar wäre, wenn es so ist, wie ich es mir erträume. Ich will auch nicht mehr diese Luxussucht haben, die es mir erlaubt, von einem Leben fernab vom Geldverdienen zu träumen. Ich will einen Tag, an dem ich bis 11 Uhr schlafe und Zeit zum Dekorieren und Kaffeetrinken mit Freunden habe, nicht als stressig oder Arbeit empfinden. Ein Arbeitstag ist vielleicht manchmal stressig, aber ich möchte Stress nicht mehr als negativ empfinden. Und vor allem möchte ich nicht 5 Minuten Stress empfinden und dann drei Tage über diesen Stress reden. (wo doch Stress so oft nur ein Ergebnis von schlechter Zeiteinteilung ist)  Will Mittagsschläfchen als Luxus sehen und nicht als "das brauche ich halt"
ICH WILL NICHT MEHR FAUL SEIN! 

Ich möchte fleißig, bescheiden und genügsam sein.

Besonders fleißig – das beschäftigt mich zur Zeit sehr, weil ich immer mehr mit meiner Faulheit und meiner fehlenden Selbstdisziplin konfrontiert werde. Wenn ich auf die Zeit gucke, die ich heute am Handy verbracht habe, wenn ich davon erzähle, was ich alles in letzter Zeit an Serien geguckt habe, wenn ich um 11:00 aufstehe, mir etwas „zu viel“ wird, weil mir auffällt dass ich dann weniger Zeit zum chillen (oder zur Weihnachtszeit ganz erhaben „besinnlich sein“ genannt) habe.
Es beschäftigt mich, weil ich um mich lauter Mädchen und Frauen (Auch Männer und Jungen, aber da ich eine Frau bin, rede ich über Frauen) sehe, die sich gegenseitig in ihrer Faulheit bestärken, statt sich herauszufordern.

Ich mag auch lieber den Vers:
Seht die Vögel des Himmels an: Sie säen nicht und ernten nicht, sie sammeln auch nicht in die Scheunen, und euer himmlischer Vater ernährt sie doch. Seid ihr nicht viel mehr wert als sie? 
(Matthäus 6, 26)

als

Geh hin zur Ameise, du Fauler, sieh ihre Wege an und werde weise: 
(Sprüche 6,6)

Ich bin ein wunderschöner Vogel, verdammt! Ich will keine Ameise sein!

Jesus meinte bestimmt die Frauen und in Sprüche ist von Männern die Rede.

Aber Tatsache ist, beides ist auch an Frauen gerichtet. 

Und ich muss von der Ameise lernen.

Ich muss fleißig sein!