#nichtfernweh
Ich habe in letzter Zeit einige Interviews mit Menschen aus
Bayern gehört. Etwas ist mir hängen geblieben:
Die meisten der Leute waren etwas älter und sind so gut wie
nie im Ausland gewesen. Auf die Frage des Moderators, ob sie nicht mal Fernweh gehabt
hätten, sagten sie schlicht und ergreifend „nein“.
Das hat mich unendlich fasziniert.
Wir werden überflutet mit imposanten Bildern von Menschen
die reisen. Die aus Koffern leben. All ihre Dinge verkauft haben, keinen festen
Wohnsitz haben, wenige Verpflichtungen. Es gibt sogar Menschen die ihr Geld
damit verdienen, zu reisen und davon schöne Bilder bei Instagram hochzuladen.
#wanderlust
#fernweh #traveling
Und irgendwie sehnen wir uns ja danach. Unabhängigkeit,
Freiheit; und vor allem, schöne Fotos von uns an Abgründen beim Sonnenuntergang
mit einem Buch in der Hand.
Das ist die Freiheit.
Aber diese Oma aus Bayern, 80 Jahre, antwortet auf die Frage
ob sie denn nicht mal reisen wollte „Nein“ Sie hatte ihr ganzes Leben nie die
Sehnsucht, irgendwas anderes zu sehen als das, was vor ihrer Nase war.
Und diese Oma beneide ich mehr als jeden, der die ganze Welt
bereist hat.
Es ist noch nicht lange möglich, so zu reisen wie
heutzutage. So günstig, so schnell, so gut. Noch nie hatten wir so einen großen
Einfluss von Medien wie jetzt und natürlich möchte man uns zum Geld ausgeben
motivieren. Und jetzt ist es nicht mehr nur „möglich“, es wird quasi erwartet.
Es wird selbstverständlich. Wer nicht reist hat kein Geld oder keine Zeit.
Ich habe unbewusst den Gedanken von „Fernweh“ übernommen.
Habe mir eingeredet dass ich mich danach sehne, dass ich das alles sehen
möchte, dass ich auf einem Berg mit baumelnden Beinen den Sonnenuntergang sehen
möchte. Aber dann antwortet diese gute alte Dame mit „Nein“ und ich frage mich,
habe ich diese Sehnsucht wirklich? Oder habe ich es nur übernommen weil ich bis
jetzt noch niemanden kannte der nicht viel reisen möchte? Der nicht so viele
Kulturen kennen lernen möchte wie sein Geldbeutel und die Zeit es erlauben.
Freiheit kann das Gefühl sein dass ich habe wenn ich aus
Koffern lebe, unabhängig, irgendwo in Afrika Heuschrecken probiere, mit meinem
Hobby gerade mal so viel Geld verdiene um in den nächsten Ort zu kommen, wenn ich keinen Haushalt zu pflegen habe. Wenn ich keine regelmäßigen Termine habe.
Freiheit kann aber auch das Gefühl sein dass ich habe, wenn
ich nach Feierabend nach Hause fahre und vor Schönheit die ich zu sehen bekomme
weine. Wenn ich keine 15 Minuten von mir einen Ort wie Pegasus finde, wenn ich
die Menschen im Umkreis von 5km genauso interessant finden kann wie einen
Straßenmusiker aus New York. Wenn meine eigene Kultur genug Überraschungen zu
bieten hat. Wenn ich meine Wohnung mindestens genau so gemütlich und heimisch
finde wie eine kleine Hütte im Wald.
So will ich sein.
Beschränkt auf meinen kleinen
Umkreis, meinen kleinen Horizont.
Wenn ich 80 bin und mich jemand fragt ob ich nicht gerne
mehr gereist wäre möchte ich sagen können: