Das Jahr der Begrenzungen




Das Jahr 2018 war für mich ein Jahr der Grenzen. Ich habe in jedem Bereich meines Lebens deutlich zu spüren bekommen, dass ich Grenzen habe. Das ist nichts Neues, das weiß jeder und jeder weiß das schon immer. Aber die letzten Monate habe ich mich mit meinen Gedanken nur darum gedreht was ich alles nicht kann, oder nicht richtig mache. Ich habe versucht, mich in jedem Punkt auszureizen weil ich dachte, das kann doch nicht sein, das ist nur Training. 
Ich hab immer gesehen, wo es hingehen kann, wusste aber nicht, wie ich dahin komme. Ständig hätte ich angebrochene Gedanken und war unfähig zum vollenden. Ich wusste, es GEHT weiter, es GEHT besser, andere kriegen es ja auch hin. Und ich sollte ja, aber eigentlich kann und will ich nicht. Und diese Menschlichkeit treibt mich ernsthaft in den Wahnsinn. 

Und am Silvesterabend traf mich dann eine schwere Erkenntnis:

Ich habe dieses Jahr mehr Schritte zurück, als vorwärts gemacht. 

In so ziemlich allen Bereichen. Ich habe meine Begrenzungen ausgereizt und sie damit noch viel enger gezogen. Wortwörtlich dachte ich „Ich bin eine schlechtere Frau, als ich Anfang 2018 war.“
Ich denke das nicht deprimiert und nicht heulend, es ist eine ehrliche, neutrale Reflektion meines Lebens in einem Jahr. Denn wenn ich das nicht checke, kann ich es ja auch nicht anpacken und dann lerne ich nicht aus meinen Fehlern. 

Das hier wird kein Post, an dem ich zu dem Entschluss komme, dass die Schritte zurück doch richtig und wichtig waren und ich rufe auch nicht dazu auf, seine Fehler - seine geistlichen Problemzonen zu feiern. Ich komme auch nicht zu der Erkenntnis, dass wir alle unsere Grenzen einsehen sollten und uns mehr auf die faule Haut legen sollten. Ich werde mir und keinem anderen mit blöden Kalendersprüchen Mut machen, dass das schon alles so seinen Sinn hat und so kommen musste. Kein „Ich bin halt so, ich kann nichts dafür.“

In diesem Post gehe ich davon aus, dass jeder Leser grundlegend weiß, dass er wertvoll und von Gott geliebt ist, dass Fehler nicht der Weltuntergang  – aber eben auch nicht okay und richtig sind. Dass es IMMER Hoffnung gibt, - und dass auch ich das alles weiß. Denn ansonsten liest sich das vermutlich sehr deprimiert – und so ist es nicht.

Meine Zeit und meine Energie sind begrenzt.

Ich habe beides dieses Jahr vollkommen ausgereizt. Es fiel mir auf, als ich alle großen Aktionen auflistete und dabei ein DIN A4 Blatt füllte (am Computer, Schriftgröße 10). Habe versucht, meine Zeit gut zu füllen, was irgendwie darauf hinaus lief, dass, sobald ich freie Zeit hatte, meistens in einem ziemlichen Loch saß und mich zu nichts „weniger wichtigem“  (und doch grundlegend ausschlaggebendem) aufraffen konnte. Außer in meinem Wanderurlaub allein war ich kaum spazieren oder wandern. Selbst fünf Minuten im Wald waren selten, obwohl das die letzten Jahre zu meinem Ding geworden ist.


Meine Empathie ist begrenzt.

Ich habe einige Menschen vernachlässigt. Einerseits wegen der Zeit, aber andererseits lag es ehrlicherweise daran, dass ich an viele Menschen nicht einmal gedacht habe. Mein Menschen-Pensum war so gefüllt und das Fließband wurde vorne immer neu gefüllt, sodass ich gar nicht merkte, wie andere hinten wieder runter fielen. Mein Herz war voll von Empathie für so manche Geschichte, aber irgendwann merkte ich, es war dann Schluss. Da passte nichts mehr rein. Was zum einen daran lag, dass viele Menschen um mich herum sind (allein meine Familie mit 31 Leuten) - zum anderen, weil ich selbst mein Herz nur komisch und zu selten wieder leerte (mir ist erst dieses Jahr bewusst geworden, wie wichtig das ist und ich kann das noch nicht so gut) - aber zum wichtigsten, weil ich mein Herz mit komischen, unwichtigen Sachen gefüllt habe, sodass Menschen und ihre Seelen kaum mehr Platz darin hatten.


Meine Freude ist begrenzt.

Oh wie oft das ich das dieses Jahr gemerkt habe – und wie fertig es mich gemacht hat. In vielen Leben der Menschen in meiner Umgebung hat sich so viel Gutes getan, so heftig Gute Sachen. Und ich konnte mich nicht freuen.
So einen kurzen Moment, 5 Sekunden war unsagbare Freude in mir und dann – Klappe zu. Kopfmäßig habe ich mich gefreut, aber emotional bin ich meist relativ kalt geblieben. Aber nur bei den wirklich heftigen Sachen. Mein wahrscheinlich am häufigsten gesprochenes Gebet 2018 war „Das ist mir zu groß, zu wunderbar, ich kann es nicht verstehen und begreifen.“ Obwohl ich wollte. Und auf der einen Seite möchte ich sachlich bleiben, möchte mit meinem Verstand leben und glauben (Wie soll es nun sein? Ich will mit dem Geist beten, ich will aber auch mit dem Verstand beten; ich will mit dem Geist lobsingen, ich will aber auch mit dem Verstand lobsingen. 1. Kor. 14:15) Aber warum genau mein Geist in vielen Punkten ruhig geblieben ist, weiß ich nicht. 
Die einen werden mir nun sagen dass das gut und richtig ist, dass wir nun mal in einem menschlichen Körper sind, die anderen werden mir sagen, dass ich mich öffnen muss, dem heiligen Geist Platz geben muss. Aber bitte: lasst mich beide in Ruhe. Ich kenne eure Argumente, sie streiten schon selbst in meinem Kopf und ich mach das schon allein mit Gott aus. Wollte hier nur einmal gerne darüber schreiben, weil ich daran glaube, dass ich nicht erst über meine geistlichen Kämpfe berichten darf, wenn ich mit einem Sieg hervor gegangen bin. Meiner Schwachheit will ich mich rühmen.
Ich wünsche mir, dass mein Verstand und meine Emotionen mal einer Meinung sind, dass beide unbegrenzte Freude empfinden können.

Es gibt noch mehr Bereiche, in denen ich gemerkt habe, wie begrenzt ich bin. Noch mehr Bereiche, in denen ich Schritte zurück – oder jedenfalls keine nach vorn gemacht habe. 



Nicht die positiven Erlebnisse, nicht die Schritte vorwärts gleichen die negativen Dinge (Probleme, Rückschläge, Schicksalsschläge, Unzufriedenheit) aus. Niemals. Kein „Schau doch mal wie gut du es hast.“ Kein „Aber schau, da hast du Fortschritte gemacht.“

Das einzige, was das Negative in unserem Leben aufwiegt und relativiert, IMMER – ist Gott.


 „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, so will ich euch erquicken!

Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen! Denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.“

Matthäus 11:28-30


Ruhe finden unsere Seelen, weil ER sanftmütig und demütig ist – nicht wir. Und weil wir von ihm lernen. Und weil er ein geduldiger Lehrer ist.
Nach drei Jahren haben Thomas und Petrus bei und nach der Kreuzigung sicher nicht so reagiert, dass sie es als Fortschritt verbucht hätten und wir haben alle einen Anstoß daran - außer Jesus.

Ich komme immer wieder zu der Geschichte, dass Jesus nach seiner Auferstehung den Jüngern Frühstück am See macht. Denn das macht immer alles kaputt, was wir über Heiligung denken. Während wir uns abmühen, reflektieren, besser machen, ermahnen und kritisieren, lernen und lernen, macht Jesus den Jüngern Frühstück.

Und irgendwann, wenn diese meine Hülle zerbrochen ist, werde ich, von meinem Fleisch los Gott schauen. Ja ich selbst werde ihn schauen und meine Augen werden ihn sehen, ohne ihm fremd zu sein. Ich werde mit Jesus am See sitzen und frühstücken, in seinem Blick wird nicht der kleinste Vorwurf liegen und meine Zeit, meiner Energie, Empathie und Freude werden unbegrenzt sein. Danach sehnt sich mein Herz in mir. 

(Mischmasch aus Hiob 19, 26 und Johannes 21)


Die Hoffnung darauf, der Blick auf Jesus – das ist es, was mich kleiner macht. Wenn ich kleiner werde, werden auch meine Fehler unwichtiger. Sie werden nicht weniger falsch und meine Schritte zurück sind nicht ungeschehen, aber es ist unwichtig. Denn Jesus ist es, der meine Hoffnung ist und meine Hoffnung macht keine Rückschritte.

Am ersten Januar saß ich auf meinem Sessel in meiner Bibelleseecke und schlug in meinem ganzen Denken um meine Unzulänglichkeit einfach die Bibel auf und las den ersten unterstrichenen Vers:


BÄM!
Ich las noch weiter Verse durch die Bibel und alle beinhalteten die Worte „Hoffnung“ und „Zukunft“
Ich habe sie mir alle aufgeschrieben und wenn ich mal wieder drohe, zu denken, Heiligung würde aus ständigen Fortschritten bestehen und dass ich dem nicht gerecht werde, werde ich diesen Brief vom ersten Januar von Gott an mich lesen.

Eine Sache, die 2018 gut war.
Ich habe nicht nur mit meinem Verstand, sondern auch mit meinen Emotionen begriffen, dass Jesus mein bester Freund ist, so platt und Pubertätsmäßig das klingt. Ich hatte oft das Gefühl, missverstanden zu sein, fehlerhaft zu sein, mich nicht verständlich machen - nicht richtig zu Ende denken zu können. Aber blättere ich durch mein Gebetsbuch, steht da ständig „Du weißt was ich meine.“ „Du verstehst mich.“ „Du liebst mich.“ „Du kannst meine Gedanken zu Ende denken.“ 

Ich bin sicher in Jesus. Nichts und niemand wird mir das jemals nehmen können.

In dieser Sicherheit wird es keine Schritte zurück geben. Das wird ewig bleiben.
Unbegrenzt.