Allein wohnen

Ich wohne allein. Seit drei Jahren.
Ich kenne nur wenige, die allein wohnen/ allein gewohnt haben/ allein wohnen WOLLEN. 
Ich habe zuhause gelebt, auf Zeit beim FSJ in einem Zimmer im Gästehaus und auch das WG-Leben habe ich getestet. Nun lebe ich seit drei Jahren allein. Das war kein Ausbruch oder so, ich wollte einfach nach Augustdorf und da gab’s keinen für eine WG (der Trend ist hier noch nicht angekommen) Also wohne ich allein. 
Erst war das ein wenig eine Notlösung und dann habe ich mich mega gefreut. Ich meine, wie erwachsen bin ich bitte, wenn ich a) eine Wohnung allein bezahlen kann b) kein bisschen Angst habe und c) einrichten und dekorieren kann wie ich will (was in der WG eigentlich nicht anders war) d) einladen wen und wann ich will und e) das alles total gut geregelt bekomme.
Aber e) ist gelogen. Und a) auch ein bisschen.
Es gibt einige Dinge, an die man nicht denkt, wenn man allein wohnen möchte.
Jedenfalls jetzt. 




Kosten

Zahlt man in einer WG 8,30€ für WLan, zahlt man allein 25€ monatlich
30 € Strom für eine Person monatlich ist auch nicht wenig
Die Kaltmiete allein zu tragen ist auch kein Zuckerschlecken
Jetzt mag man denken, dass man diese ganzen Sachen auch als Paar oder in einer WG zahlt, das ist richtig – ABER für alles, das man monatlich zahlt, gibt es immer eine GRUNDGEBÜHR und dann den Verbrauch. Die Grundgebühr bleibt immer gleich, egal ob 10 oder 1 Person dort lebt. Schon als Paar zahlt man z.B. für WLan und Strom fast nur die Hälfte (fast die HÄLFTE) also pro Kopf. Bei gleichem Verdienst. Bei besserer Steuerklasse. Just sayin‘

 

Hausarbeit

Seit ich allein wohne mache ich drei mal so viel Hausarbeit wie in einer WG mit drei Leuten. Warum? Weil es auch bei der Hausarbeit eine Art „Grundgebühr“ gibt. Etwas, was immer ansteht, egal wie viele Leute da wohnen.  Ein Beispiel: Habe ich gegessen, spüle ich das Kochgeschirr und das Essgeschirr. Haben drei Leute gegessen, spült eine Person das Kochgeschirr und das Essgeschirr. Das Geschirr wird nicht 3mal so viel, wenn drei Leute essen. Es kommt nur ein kleiner Teil dazu und den macht nur eine Person, die anderen 2 machen nichts. (Gehen wir mal vom Küchendienst aus). Und der Staub (den ich nur wedle).... Wohnst du allein, machst du alles.Auch den Müll raus bringen.
Wenn man Vollzeit arbeitet, hat man Probleme mit dem Ausgleich zwischen einem sozialen Leben und einer sauberen Wohnung. Ich gebe zu, man könnte es besser schaffen als ich es tu, aber es gibt in Punkto Hausarbeit auch einend dicken Vorteil wenn man allein wohnt: Bist du eine Ehefrau, erwartet jeder eine ordentliche Wohnung von dir. Bist du unverheiratet, vergibt dir jeder den WG-Stil. Obwohl auch diese Nachsicht schwindet, geht man auf die 30 zu.


 

Reparaturen

Es gibt Punkte, in denen bin ich richtig leicht aus der Bahn zu werfen. Ich erinnere mich an einen Abend, als plötzlich Wasser aus meiner Spülmaschine lief. Nachdem ich alles sauber gemacht hatte saß ich auf meinem Küchenboden und heulte in meinem Selbstmitleid. Spülmaschine kaputt, die nächsten Tage voll geplant, was, wenn Wasser raus läuft während ich weg bin, wer soll das reparieren, …. Gedanken, die ich nicht verdrängen kann und nicht einmal mit jemanden teilen kann. Das schlaucht am aller meisten, wenn man allein wohnt.
Ich bin mit einem Vermieter gesegnet, der bei jeder Nachricht bezüglich der Wohnung spätestens am nächsten Tag vor der Tür steht und alles behebt, aber es gibt Sachen, wie die Spülmaschine, da hat der Vermieter nichts mit zu tun.
Mein Papa, Freunde, Brüder, Schwager, … all die stehen regelmäßig bei mir auf der Matte um mir bei irgendwas zu helfen. Zum schwere Sachen schleppen rufe ich meinen Neffen. Ich bin jedes Mal auf Hilfe oder/und viel Geld angewiesen und beides ist immer anstrengend. Der einzige Punkt, in dem ich mich als Alleinwohnende echt ziemlich hilflos fühle.
So viel zur Selbstständigkeit und Unabhängigkeit. 

 

Essen

Ich gebe mehr Geld für Essen aus, als in der WG, esse aber seltener zuhause. Man kann von den meisten Sachen nur größere Packungen kaufen und ist wirklich eingeschränkt in der Essenswahl. Gerade wenn man gerne frische Sachen isst, muss man sehr oft einkaufen und planen. Ein Salat mit viel verschiedenem Gemüse geht z.B. nur, wenn ich dann vier Tage nichts anderes als Salat esse, denn wohin sonst mit dem Blattsalat, Gurke, Mais (okay, Mais ess ich locker ne Dose weg), usw..  Und wirklich vieles schmeiße ich weg. Das war in einer WG um einiges leichter! Man hat zusammen gegessen und dreimal so viel Lebensmittel gingen weg. Ich müsste einen sehr geregelten Wochenablauf haben, um nachhaltig einkaufen zu können, aber gerade weil ich allein wohne, möchte ich mir nicht die Flexibilität nehmen, immer mal wieder spontan abends weg zu sein. Oft bekomme ich Essen von meinen Schwestern (die sind der Wahnsinn) und oft kaufe ich mir was in der Kantine oder in der Dönerbude.  Trotzdem kann ich einkaufen und essen was ich will und muss keine Rücksicht nehmen. Das ist schon echt cool. Ist aber das viele Wegschmeißen eigentlich nicht wert. Dann wiederum ist mir meine Flexibilität wichtiger, als ein geregelter Essensplan.

 

 

 

Besuch

Besucht man Familien oder Paare, läuft es fast immer so ab, dass man von den Kindern oder dem Mann unterhalten wird, wenn die Frau in der Küche ist. Egal was los ist, es ist eigentlich immer jemand da. Wohnt man allein (oder empfängt allein Besuch) ist der Besuch allein, wenn man kurz in der Küche, oder sogar nur auf Klo ist. Das KANN zu einer unangenehmen Atmosphäre kommen. Tut’s bei mir fast nie, weil mein Besuch meist ganz entspannt ist und sowieso irgendwie wie ein Mitbewohner tut, aber empfängt man seltenen Besuch (Vermieter, Nachbarn, entfernte Bekannte,…) Kann das schon komisch werden.



Für sich

Als Mutter / Ehefrau / Mitbewohnerin macht man nichts in der Wohnung nur für sich. Immer hat jemand was davon. Wohnt man allein, macht man alles nur für sich. Bezahlen, aufräumen, kochen, ... und das hasse ich sogar noch mehr als das die Reperaturen. Um nicht ganz in einem egozentrischen Strudel zu verfallen, öffne ich also meine Türen und habe meistens jemanden da. So gerne ich allein bin, viel allein sein tut mir nicht gut. Und wenn meine Nichten und Neffen mal denken, die würden mich schon nerven, muss ich ihnen immer wieder sagen dass ich es BRAUCHE dass die da sind. Ich würde eingehen, würde ich nur alles für mich machen. 
Manchmal kommt meine Nichte oder irgendjemand, damit ich überhaupt Motivation habe, aufzuräumen. Die chillen sich ins Wohnzimmer und lesen oder malen, während ich putze. 
Allein sein ist wunderbar, aber es macht auch träge und manchmal einsam.


Trotzdem 

Ich finde nicht, dass allein wohnen etwas ist, das jeder gemacht haben sollte. (Anders als beim WG-Leben, das würde ich jedem raten) aber man, ich genieße es unendlich.
Niemand sagt was gegen die Winnie Pooh Uhr, meine Nachbarin von unten freut sich über meinen Besuch der immer viel lacht und singt, ich kann Übernachtungsgäste da haben wann ich will. Und ich kann allein sein wann ich will. Manchmal, fast immer, bekomme ich kribbeln im Bauch wenn ich mein Wohnzimmer betrete. Ich verbinde nur gute Sachen damit. Die Filme die da mit anderen geschaut wurden kann man wahrscheinlich an zwei Händen abzählen. Aber die Lieder die gesungen wurden, die Gebete die gesprochen wurden, das Lachen, das kuscheln, die runtergebrannten Kerzen, das Getanze das hier stattgefunden hat, die vorgelesenen Geschichten, die Musik die das Wohnzimmer gehört hat, die schlafenden Menschen, das alles ist unzählbar und das macht mich so unfassbar glücklich.
„Wohnen ist eine Tätigkeit“ sagt jemand Schlaues in einem Hörbuch.
Ich richte meine Wohnung nicht nur allein ein, ich selbst entscheide auch allein, was für eine Atmosphäre in meiner Wohnung herrschen soll. Und ich liebe die Atmosphäre hier so sehr, dass es mir alle Nachteile, die allein wohnen mit sich bringt, wert ist.
Obwohl ich eine WG auch mal wieder super finden würde. 

"A house must please everyone. Unlike a work of art which doesn’t have to please. Art is the artist’s private matter. This is not the case for houses. Art is born without being felt. Houses, on the other hand fulfill a need. People seek to maintain their comfort. They hate whatever wretches them from their certitudes, whichever bothers them. This is why they love their houses and hate art.” 
Adolf Loos

”Decorating is not about making stage sets, it’s not about making pretty pictures for the magazines; it’s really about creating a quality of life, a beauty that nourishes the soul.”
Albert Hadley