Die sich fragenden
Ein offener Brief an alle des mittleren Alters.
Ein Ausdruck den meine Generation am liebsten benutzt: „Ich
frage mich…“
Ich frage mich auch vieles und vor allem frage ich mich, wie
man sich selbst eine Frage stellt.
Ich denke im Allgemeinen läuft das so ab:
1. Eine Unklarheit kommt auf, man ist verunsichert,
2. Man formuliert eine Frage „Ich frage mich, …“
Ich frage mich, ob ich was anderes machen sollte. Ich frage mich, ob ich richtig bin, wo ich bin. Ich frage mich, ob wir da was ändern sollten. Ich frage mich, ob …
Ich frage mich, ob ich was anderes machen sollte. Ich frage mich, ob ich richtig bin, wo ich bin. Ich frage mich, ob wir da was ändern sollten. Ich frage mich, ob …
3. Man geht die nächsten Tage/Wochen/Monate/Jahre/Ewigkeiten
mit offenen Augen durch die Weltgeschichte, fragt Leute, wägt Antworten ab
4. Man entscheidet sich für eine Antwort, die man dann vertritt,
oder eben dafür, dass es keine feste Antwort gibt.
Für Disskussionsfreudige endet der Weg bei Punkt 3,
bei Unsicheren
bereits bei Punkt 1,
die Abenteurer sehen Punkt 4 nur als eine Zwischenlandung
an, die ganz automatisch wieder in Punkt 1 überfließt
und besonders
Reflektierte klappern diese Punkte wie ein vertrautes Morgenritual ab.
Wir waren schon immer die Generation der Unsicheren.
In
meinem Alter musste man sich schon immer für einen Lebensweg und Art
entscheiden, auch ihr. Durch die Digitalisierung bekomme ich aber plötzlich mit, wie ein Aborigine,
ein Afrikaner und ein alternativer Europäer das machen und plötzlich gibt es so
viele Wege die man einschlagen kann.
Man denkt, den einen Weg den man geht (oder besser: sehr
umständlich wählt), muss man mit 1759% Sicherheit einschlagen, mindestens. Wir
haben nur dieses eine Leben, das auch noch so kurz ist, wir müssen unseren
Träumen folgen, wir sind es wert, wir dürfen nichts verpassen, … wir kennen
das. Mindestens ein Ted Talk darüber, wie wir unser Leben gemeistert haben muss
drin sein.
Wir lieben und hassen das.
Und wir fragen uns.
Nehmt uns das nicht übel, das haben wir so gelernt. Das
haben uns Leute beigebracht die in der Mitte ihres Lebens das Gefühl hatten,
was verpasst zu haben. Und wir leben in der Illusion, wenn wir uns jetzt schon
das alles fragen, haben wir, wenn wir so alt sind wir ihr, nur noch Antworten.
Wir stellen uns die Mitte unseres Lebens als eine Ewigkeit von Punt 4 vor, wir
tun das wirklich. Aber diese Antworten müssen wir selbst raus finden, denn eure
Antworten zählen nur manchmal. Eher selten. Denn was wisst ihr schon.
Wir wollen jetzt schnell alles Unangenehme hinter uns
bringen um mit 45 in einem dauerhaften Zuhause aus Sicherheiten zu leben.
Und bitte nehmt uns diese Illusion nicht, denn seid doch mal
ehrlich, ihr ward genauso, nur zu einer anderen Zeit.
Ihr habt uns erzogen und wolltet alles, oder jedenfalls
vieles anders machen als eure Eltern.
Doch eines bleibt: Wir fragen uns.
Und ich weiß nicht ob wir uns irgendwann ausgefragt haben.
Ob uns irgendwann die Selbstgesprächsthemen ausgehen.
Wahrscheinlich nicht. Das zeigen mir die studierenden
Senioren. Mit 65 noch einmal „Ich frage mich, ob ich was anderes machen sollte.“
Wir fragen uns halt. Manche mehr, manche weniger. Manche
jetzt, manche später.