Ob ich Nazi geworden wäre


In letzter Zeit habe ich mehrere Artikel bei einestages (Spiegel) über den zweiten Weltkrieg gelesen.
Meiner beschränkten Meinung nach kann man die Menschen zur Zeit des zweiten Weltkrieges in fünf Gruppen einteilen:

1. Die öffentlichen Gegner des Nationalsozialismus (z.B. Dietrich Bonhoeffer)


2. Die stillen Gegner, die da wo es nötig waren, taten was man ihnen sagte, um ihre Familien in Sicherheit zu wissen, im stillen aber die Kinder aufklärten und Verstoßenen halfen.


3. Die zweifelnden Nazis, die teilweise mit dem Strom schwammen, sich jedoch der Falschheit dieser ganzen Sache bewusst waren, sich aber nicht auflehnten und damit nach einer Zeit resignierten und heute dazu sagen 
„Ich habe nur meine Befehle befolgt.“ 


4. Die überzeugten Nazis.


5. Die Verstoßenen. (Juden, Behinderte, …)

Ich lese diese Berichte voll Wut gegen die überzeugten Nazis, Mitleid für die Verstoßenen und Respekt vor den stillen und öffentlichen Gegnern. 

Vor allem aber fehlt mir jedes Verständnis dafür, wie sich so etwas falsches wie der Nationalsozialismus so schnell und weit ausbreiten und auch noch Annahme finden konnte.
„Wie konnte man nur?“


"Heutzutage wäre so etwas doch nicht mehr möglich.“ 
Denke ich. Weiß aber, dass ich falsch liege. 
Wer weiß ob ich nicht jetzt schon von solch einer dummen Ansicht eingenommen bin, von der die späteren Generationen in 30 Jahren nur den Kopf schütteln und sagen werden: 
„Wie konnte man nur?“ 

Wäre ich überhaupt gegen den Nationalsozialismus gewesen, oder wäre ich mit dem Trend gegangen? Genauso wie ich den Trend rund um Kaffe, Fotografie und Kleidung immer so schnell übernehme? 
Der Staat, Europa, predigt das komplette Gegenteil von Rassismus = Uneingeschränkte Toleranz.
Jetzt. 
Und ich habe es übernommen. 
Hätte ich den Rassismus genauso übernommen, wenn sie es nur gesagt hätten? 
Wie sehr steht und fällt meine Meinung, mit der, die gelehrt wird? 

Ich bin durch mein Umfeld beeinflusst. Und viel zu oft lasse ich dies nur allzu gern und manchmal auch unbewusst zu.

Und genau unter diesem Dilemma standen auch jene Personen, die ich der 3. Gruppe eingeteilt habe, über die ich mir am meisten Gedanken mache.
Die damaligen zweifelnden Nazis jetzt als dumm und feige darzustellen ist leicht und meist auch die erste (und leider zu oft auch die einzige) Reaktion. 

Tatsache ist, dass ich nicht weiß, wo ich gestanden hätte. Ich kann es nicht sagen und mich nicht gut genug analysieren. 

Gelernt habe ich, dass ich meine Meinung über die Welt und die Menschen niemals vom Staat oder sonst irgendwelcher Partei übernehmen darf, egal in welchem Land ich lebe. Jede Regierung setzt neue Maßstäbe, doch bin ich der festen Überzeugung dass es nur eine Wahrheit gibt. Die Maßstäbe der verschiedenen Regierungen sind lediglich eine Auslegung oder bewusste Verfälschung eben dieser Wahrheit. Ich darf mich nicht an der Auslegung fest klammern, ich muss bei der Wahrheit an sich bleiben. 

Das weiß ich jetzt. Hätte ich das 1939 verstanden? 

Das ist die einzige Möglichkeit, wie wir aus dem Nationalsozialismus und noch aus vielen anderen Maßstäben, die Regierungen auch aktuell anwenden etwas lernen können, damit es sich nicht wiederholt. 

Und da kann ich nur bei mir selbst beginnen. Denn die Verantwortung für mich selbst ist die Einzige, die ich trage. 
Ich trage keinerlei Verantwortung für die Entscheidungen der Regierung. Und deshalb macht es wenig Sinn, die vergangenen oder aktuellen Fehler eben dieser zu werten.

Ich habe selbst an der Wahrheit zu bleiben. 
Der einzigen Wahrheit.  

 Damit ich in 30 Jahren keinem Richter (eben dieser Regierung, dessen Richter noch vor wenigen Jahren nach dem Gesetz die richteten, die sich dem Nationalsozialismus auflehnten) sagen muss 
„Ich habe nur getan, was alle getan haben.“ 
Oder 
„Ich habe nur Befehle ausgeführt.“ 

Und damit ich mir nicht antun muss, von einseitig denkenden und schnell verurteilenden Menschen als feige und dumm dargestellt zu werden. 

Und am allerwichtigsten: 
Ich möchte und darf um keinen Preis jemals zu einem Schaden für die Menschheit werden. 

Und deshalb muss ich bei der einzigen Wahrheit bleiben.